Ein bisschen Eikunde - Oologie

Exotengesundheitsteam, Waldbreitbach

Ein Ei ist gar nicht so einfach erklärt wie es von vielen vermutet wird. Oft kennt man es nur als Ei -bestehend aus Dotter, Eiklar (Eiweiß) und Schale. Doch es steckt mehr dahinter. In diesem Bericht wird auf den hochkomplexen Aufbau sowie die Bildung des Vogeleies von Ovulation des Follikels bis zur Eiablage eingegangen.

Allgemeines

Eierlegende Tiere bilden je nach Art und Tierklasse unterschiedlich strukturierte Eier aus.

Die meisten Fischarten laichen ihre Eizellen ohne zusätzliche Schichten außerhalb des Dotters ab. Viele Amphibien hingegen zeigen bereits eine klare galertige Schicht um die Eizelle, vergleichbar dem Eiklar des Vogeleies. Beide Klassen sind evolutionsbedingt für ihre Fortpflanzung an Wasser gebunden. Ihre Eier entwickeln sich bis auf wenige Ausnahmen ausschließlich im Wasser bzw. feuchter Umgebung. Daher ist eine Kalkschalenbildung u.a. zum Schutz vor Wasserverlust hier nicht nötig. Mit dem Verlassen des Lebensraumes Wasser entwickelten Reptilien die Fähigkeit, mehr oder weniger stark ausgebildete Kalkschalen um ihre Eier zu bilden.

Dies ermöglichte den ländlichen Lebensraum schneller zu erobern, ohne für die Fortpflanzung immer wieder Gewässer aufzusuchen. Meist legen sie ihre Eier -als komplettes Gelege- gleichzeitig und je nach Art in eine selbstgegrabene Höhle oder bereits vorhandene Löcher und Spalten ab. Hier sind sie jedoch meist auch auf eine Restfeuchte des Ablagesubstrates/-ortes angewiesen.

Die Klasse der Vögel (Aves) die bekanntlich von den Reptilien abstammen perfektionierten die evolutionäre Unabhängigkeit von Gewässertypen und feuchten Substraten was sie befähigte, Ihre Nester in unterschiedlichen Habitaten bis hoch in sicheren Felsvorsprüngen und Baumwipfeln zu platzieren.

Das Vogelei

Die Bildung von extern des weiblichen Organismus reifenden hartschaligen Eiern stellen für  Vögel einen enormen Vorteil dar. Das Vogelei beziehungsweise seine Bestandteile befinden sich während des Bildungsprozesses nur kurz -je nach Art etwa 1-3 Tage- im weiblichen Organismus was das Fliegen enorm erleichtert.

Durch die besondere Anatomie des Vogels verursacht Alles, was über das nötige Maß hinaus Platz im Vogelkörper einnimmt eine negative Beeinflussung des Atemvolumens, einhergehend mit einer Verschlechterung des Gasaustausches (Sauerstoffaufnahme, Kohlendioxidabgabe) und damit auch der Fitness.

Dies ist einer der Gründe, warum die Vögel - im Gegensatz zu Reptilien - nicht ihr komplettes Gelege auf einmal bilden und ablegen. Ihre Mobilität, insbesondere das Flugvermögen -ihre größten Vorteile- wären stark beeinträchtigt, was sie schließlich zur einfachen Beute machen würde.

Die vergrößerte Eischalenoberfläche eines Graupapageieneies (Psittacus e. erithacus). Deutlich erkennt man die über die Schale verteilten Poren.

  • Die vergrößerte Eischalenoberfläche eines Graupapageieneies (Psittacus e. erithacus). Deutlich erkennt man die über die Schale verteilten Poren.

Ist das Ei abgelegt, bleibt der weibliche Vogel fit und beweglich, er kann das weitere Brutgeschäft mit weniger körperlicher Beeinträchtigung erledigen und ist im Falle einer Nestplünderung viel besser zur Verteidigung und/oder Flucht befähigt. Die Eischale ihrerseits hat eine Vielzahl von Aufgaben zu erledigen. Sie schützt den Embryo vor Austrocknung, dem Eindringen von Krankheitserregern und vor Stößen. Mit ihren Poren und Membranen spielt sie eine wichtige Rolle im Austausch von Atemgasen wie Sauerstoff und Kohlendioxid. Vornehmlich im Dotter befinden sich zusätzlich Abwehrstoffe wie beispielsweise maternale (von der Mutter stammende) Antikörper die viele Küken in der ersten Zeit vor und nach dem Schlupf schützen.

Das Ei ist zudem ein „Superspeicher“ für Nährstoffe und Flüssigkeit. Es beinhaltet im Optimalfall alles, was der Embryo benötigt um zum schlupffähigen Küken heranzuwachsen. Es ist ein hochkomplexer Entwicklungsraum mit vielen Funktionen.

Die Eizelle

Der Grundaufbau der Eizelle ist bei vielen Tieren -nicht nur Vögeln- ähnlich.An die weibliche Eizelle oder auch Keimzelle angegliedert befinden sich Nahrungs- und Flüssigkeitsreserven die von unterschiedlichen Häuten und Hüllen umgeben sind.

Der Eierstock (Ovar)

Das Ovar ist für die Bildung des Eidotters zuständig. Embryonal ist er bei den weiblichen Vögeln beiderseits im Bereich vor der Niere angelegt. Bis in wenigen Ausnahmefällen entwickelt sich bei Vögeln jedoch nur der linke Eierstock bis zur vollständigen Funktionalität. Der rechte Eierstock bleibt als teilweise nicht mehr sichtbares zurückgebildetes Rudiment vorhanden. Die im Embryonalstadium noch beidseits angelegten Eierstöcke erinnern an die enge evolutionäre Verwandtschaft zu den Reptilien. Bei diesen entwickeln sich jedoch in der Regel beide Eierstöcke zur vollständigen Funktionalität. Bei Vögeln ist dies jedoch aufgrund deren anfangs genannter Strategie, immer nur ein Ei nach dem anderen zu bilden, nicht sinnvoll.

Die Bildung des Eidotters

Die Dotterkugel stellt einen enormen Speicher dar, auf welchen der Embryo während seines Wachstums zugreifen kann. Sie wird im linken Eierstock (Ovar) des Vogels gebildet. Vogeleier zählen zu den dotterreichen -polylecithalen-Eiern. An die weibliche Keimzelle oder Eizelle wird eine große Menge Dotter angelagert.

Der Dotter –umgangssprachlich auch oft als Eigelb bezeichnet-  ist von einer durchsichtigen, zweischichtigen Membran- der Perivittelinmembran- umgeben (siehe Abbildung).

Er besteht zu etwa 50% aus Wasser, 30% aus Fett und 20% aus Protein und vereinfacht gesagt aus 2 Dotterarten. Dem prozentual wenigen weißlichen Bildungsdotter der in konzentrischen Schichten um den gelblichen Nahrungsdotter angeordnet wird und dem Nahrungsdotter.  Der Nahrungsdotter beinhaltet viele Lipide (Fette), der Bildungsdotter viele Proteine.

Wie die Namen vermuten lassen ist der Nahrungsdotter Nährstofflieferant (Lipide, Livetine), der Bildungsdotter stellt „Aufbaustoffe“ (Lipovitelline, Phosvitin) bereit.

Vergrößerte..

...Ansicht zum Aufbau des Eidotters mit der umliegenden zweischichtigen Membran.

  • Vergrößerte..

    ...Ansicht zum Aufbau des Eidotters mit der umliegenden zweischichtigen Membran.

Die Keimscheibe

Auf der Dotterkugel findet man leicht die anfangs als weißlichen Punkt sichtbare Keimscheibe. Hier sind der Zellkern der weiblichen Eizelle und damit die genetischen Informationen des Weibchens lokalisiert. Es ist auch der Ort der Verschmelzung von männlicher und weiblicher Erbinformation (Fertilisation/Befruchtung). Der Dotter richtet sich automatisch so aus, dass die Keimscheibe stets nach oben zeigt, sozusagen dem brütenden Vogel zugewandt. Dies ist für die Inkubation sehr wichtig, denn so kommt die Körperwärme des brütenden Vogels am besten an den sich entwickelnden Embryo.

Die Keimscheibe liegt der Latebra auf.

Die Latebra stellt eine Verbindung zwischen der Dottermitte und der Keimscheibe her. Damit wird sichergestellt, dass der Embryo beide Dotteranteile -Bildungsdotter und Nahrungsdotter- nutzen kann. Am Ende der Inkubationszeit wird er in die Körperhöhle des Kükens eingezogen und füllt das durch den Schlupfvorgang entstandene Energiedefizit auf. Zudem dient er dem Küken artabhängig für die ersten Stunden bis Tage nach dem Schlupf als Nahrungsreserve.

Wird ein Küken zu früh angefüttert, kann es passieren, dass der Inhalt des Dottersacks noch nicht vollständig verbraucht ist und langsam unter Aufwendung von Energie abgebaut werden muss. Es wird diskutiert, dass ein nicht verwerteter Dottersack das Risiko einer aufsteigenden Infektion bei Nabelentzündungen (Omphalitis) erhöht. Die Nahrungsreserve Dotter kann nicht nur vom Küken sondern auch potentiell von Mikroorganismen als Nahrungsquelle genutzt werden. Diese fänden hier gute Bedingungen für eine schnelle Vermehrung was unweigerlich zur Infektion führen würde.

Kommt gelegentlich vor: ein dotterloses Ei.

  • Kommt gelegentlich vor: ein dotterloses Ei.

Die Bildung der Eiweißschichten

Bei der Ovulation -dem Eisprung- wird die Oozyte (Dotterkugel) vom Primärfollikel des Eierstocks abgegeben und vom Eileitertrichter (Infundibulum) aufgenommen (vergleiche  mit Grafik am Ende des Berichtes). Sind nach vorangegangener Kopulation dort bereits Spermien hingewandert, ist der Anfangsteil des Infundibulum meist auch der Ort der Befruchtung. Die Passagezeit durch diesen ersten Teil des Oviduktes (umgangssprachlich Legedarm) dauert beim Haushuhn etwa 20 Minuten. Drüsen in der Wand des Infundibulums sezernieren Glykoproteine, die sich wie eine Schicht um die Dotterkugel legen. Diese werden im weitern Eibildungsprozess zur innersten Eiweißmembran und zu den späteren Chalazae - den Hagelschnüren- umgebaut (vergleiche erste und letzte Grafik im Bericht). Durch die spiralige Form des kurz darauf folgenden Legetraktabschnittes kommt es beim weiteren Abwärtswandern des Dotters zur Drehbewegung um die eigene Achse und damit zur Entstehung der spiraligen Struktur der Hagelschnüre. Sie halten die Dotterkugel im fertigen Ei an der richtigen Position etwa mittig im Ei und verhindern damit, dass sie bei starker Bewegung und Drehungen frei im Inneren umherfällt.

Im 2. Teil des Legedarms, dem Eiweißabschnitt oder Magnum werden die Dotterkugel und die Hagelschnüre von Eiklar eingehüllt.  Dies wird aus in den Wänden befindlichen Drüsen abgegeben. Während der Wanderung rollt sich die Dotterkugel permanent entlang der Magnuminnenwand, so dass es von vielen Schichten Eiklar eingewickelt wird. Das Eiklar besteht aus 3 Schichten , teilweise auch als Fraktionen beschrieben. Sie unterscheiden sich durch Ihre Menge und als auch einen unterschiedlichen Grad an Zähflüssigkeit:

So wird das Eiklar in eine dünne um den Dotter liegende Schicht, die mengenmäßig größte und zähflüssigere Mittelschicht und die wieder dünnere und flüssigere äußere Schicht unterteilt.

Die Schalenhäute (Membranae testae) bestehen aus einer inneren und einer äußeren Eimembran. Zwischen iohnen bildet sich später die Luftkammer.

  • Die Schalenhäute (Membranae testae) bestehen aus einer inneren und einer äußeren Eimembran. Zwischen iohnen bildet sich später die Luftkammer.

Anschließend wird das Gebilde aus Dotterkugel und Eiklarschichten im Bereich der Engstelle dem sogenannten Isthmus in dünne Häute, die Schalenhäute (Membranae testae) gehüllt. Diese bestehen aus der inneren und äußeren Schalenmembran - je nach Literatur auch als Eimembran und Schalenmembran bezeichnet. Die Bildung dieser Doppelmembran ist ein wichtiger Aspekt, denn zwischen Ihr bildet sich nach der Eiablage die Luftblase aus. Hierzu später mehr.

Im darauffolgenden Teil des Legedarmes -dem Uterus- verweilt das Ei prozentual am längsten. Hier wird die Kalkschale gebildet.

Die Schale des Vogeleies besteht zu mehr als 90 % aus Kalziumkarbonat, die restlichen Anteile sind Proteinfasern, Magnesiumcarbonat und Phosphate. All diese Bestandteile werden in besonderen Drüsen des Legedarms im als Uterus bezeichneten Abschnitt gebildet und auf die äußere Schicht der äußeren Eimembran gerüstartig aufgetragen. Dabei entstehen viele kleine Kammern und Poren. Diese sind wichtig für den elastischen Gesamtaufbau des Kalkgerüstes, sie funktionieren wie kleine Stoßdämpfer und Druckverteiler. So kann ein Ei das Gewicht des brütenden Vogels über die Eischale proportional verteilen. Die Feinstruktur der Schale als auch die stabile -mehr oder weniger kugelige- Form des Eies, sorgen im Zusammenspiel dafür, dass ein Durchschnittsei etwa das Zwanzigfache seines Eigengewichtes tragen kann. Die unterschiedlichen Farben verschiedener Vogeleier entstehen durch Farbstoffe wie Melanine die ebenfalls im Bereich der kalkschalenbildenden Drüsen vogelartlich verschieden abgegeben werden.

Im letzten Abschnitt des Oviduktes, der Vagina, wird das Eioberhäutchen (Cuticula) auf die äußere Kalkschale aufgelagert. Es hindert anfänglich Mikroorganismen am Durchdringen der Poren ins Eiinnere.


Pigmentiertes Ei...

...eines Goldlaubenvogels (Sericulus aureus). Durch Auflagerung von Farbpigmenten im Anschluß an die Kalkschalenbildung entsteht ein der Tarnung dienendes artspezifisches Muster. Da diese Art ein oben offenes tellerartiges Nest aus Blättern und kleinen Ästchen im Geäst baut, würden ungetarnte Eier den Freßfeinden schnell ins Auge fallen. Für Papageien hat sich dies evolutionär nicht entwickelt. Als höhlenbrütende Vögel sind sie auf eine Tarnung der Eier nicht angewiesen.


Die Entstehung der Luftkammer

Kurz nach der Eiablage (Ovoposition) ist im Ei noch keine Luftkammer vorhanden. Die in der Kalkschale vorhandenen Poren (vergleiche zweites Bild oben) spielen hier nun eine wichtige Rolle für den Gas- und Flüssigkeitshaushalt des Embryos. Am stumpfen Ende des Eies befindet sich ein relativ gesehen höherer Anteil an Poren als auf der übrigen Kalkschale. Zudem kommt die oben erwähnte Funktion der Doppelmembran nun zum Tragen. Wie erwähnt besteht sie aus zwei Schichten: einer inneren Membran aus feinen Keratinfasern und einer äußeren gröberen Membran (vergleiche Darstellung der Schalenhäute).

Um den Legezeitpunkt selbst sind die Zwischenräume zwischen diesen Keratin-Fasern in beiden Schichten noch feucht und leisten daher großen Widerstand gegen das Eindringen der Luft. Beim folgenden Abtrocknen als auch dem Abkühlen des Eies von 40 - 42°Celsius Körpertemperatur bei Verlassen der Kloake auf 37 – 37,8°Celsius Inkubationstemperatur zieht sich das Innere des Eies, physikalischen Gesetzen folgend, stärker zusammen als die Kalkschale. Der entstehende Unterdruck im Innern ist dadurch so groß, dass er die Luft durch die Poren am stumpfen Eipol der Kalkschale als auch durch die äußere grobe Schicht der Doppelmembran (äußere Eimembran, türkis im Makro ) zieht. Die Luftkammer ist zwischen äußerer und innerer Schalenmembran entstanden (siehe Grafik).

Entstehung der Luftkammer..

..durch das Einströmen von Luft durch die Schalen- und Membranstrukturen am stumpfen Eipol.

  • Entstehung der Luftkammer..

    ..durch das Einströmen von Luft durch die Schalen- und Membranstrukturen am stumpfen Eipol.

Weitere Veränderungen der Luftkammer während der Inkubationszeit basieren auf der Embryonalentwicklung als auch dem Verlust (Verdunstung) von Flüssigkeit über die Eischale. Die Verdunstungsrate selbst wird wiederum durch die relative Luftfeuchte in Eiumgebung erheblich beeinflusst. An dieser Stelle sei erwähnt, dass ein fertiles Ei bis zum Schlupf des Kükens aufgrund dieses Wasserverlustes stetig leichter wird. Durchschnittlich verliert ein Ei etwa 15% des Legegewichtes über die Bebrütungszeit hinweg.


Überprüfung der Luftkammer

Beim Schieren der Eier sieht man deutlich die Größe der Luftkammer. Sie ist ein wichtiger Indikator für den Flüssighaushalt des Eies. Hier im Vergleich ein frisch gelegtes Ei  bei dem sich noch keine Luftkammer gebildet hat (links) im Vergleich zu einem bereits älterem Ei mit Luftkammer (rechts).


Schematischer Aufbau...

...des Legetraktes beim Vogel. Rechts daneben die Darstellung des Ei - Entwicklungsstandes in den jeweiligen Bereichen.